Freispruch bei Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung
Es war der 03.11.2012 und viele Hansa-Fans fuhren nach dem 2:0 – Heimsieg gegen Saarbrücken wieder glücklich und zufrieden mit dem Zug nach Hause.
Im Regionalexpress zwischen Stralsund und Greifswald gab es dann Auseinandersetzungen zwischen Polizeibeamten und Fans in der oberen Etage des Doppelstockzuges. Im Anschluss daran sollen Carl Candiru und Daniel Dorsch (Namen geändert) , die sich nur vom Sehen her kannten, aufgrund eines gemeinsamen Tatentschlusses gemeinsam auf zwei Polizisten eingeschlagen haben, so dass einer der Beamten mit den angeblichen Angreifern die Treppe im Zug herunterfiel und sich dabei erheblich verletzte. Das wäre, laut Anklageschrift, eine gefährliche Körperverletzung – Mindeststrafe: sechs Monate Freiheitsstrafe!
Bereits im Ermittlungsverfahren wandten sich die Beschuldigten, die dieses Tatgeschehen bestritten, an die Blau-Weiß-Rote Hilfe und deren Anwälte. Diese bemühten sich darum, dass nicht nur die Polizeibeamten, sondern auch andere Mitreisende als Zeugen gehört werden sollten. Dies wurde jedoch seitens der Staatsanwaltschaft ignoriert. Nur gestützt auf die Aussagen der beiden Polizisten wurde Anklage erhoben.
Daraufhin wurden umfangreiche eigene Ermittlungen seitens der Fans und der Anwälte angestellt. Es konnten tatsächlich vier weitere Zeugen ausfindig gemacht werden, die nach eingehender Belehrung über ihre Wahrheitspflicht bei einer möglichen Vernehmung vor Gericht bestätigen konnten, dass die Version der Polizisten nicht mit dem übereinstimmte, was sie selbst wahrgenommen hatten.
Kurzerhand wurden die Zeugen zum Gerichtstermin vor dem Amtsgericht Stralsund am 15.01.2014 mitgenommen, was schon einmal für Erstaunen beim Gericht sorgte, denn der Richter hatte sich wohl auf eine unkomplizierte Verhandlung im Sinne der Anklage gefreut. So appellierte er dann auch nach der Vernehmung der beiden Polizisten, die natürlich ihre Aussagen von vor 14 Monaten z.T. wortwörtlich bestätigten, an die Verteidigung, ob es denn wirklich notwendig wäre, die neuen Zeugen noch zu vernehmen. Erst nach dem anwaltlichen Hinweis darauf, dass man endlich aufhören müsse, nur polizeilichen Zeugen immer alles zu glauben und dass es ja auch noch seitens der Angeklagten das Mittel des Befangenheitsantrages geben würde, falls sich der Richter schon vor Ende der Beweisaufnahme in seiner Meinung festgelegt hätte, führten zur Einsicht beim Richter und zur Vernehmung unserer Zeugen.
Die entlastenden Angaben interessierten die Staatsanwältin nicht und sie beantragte jeweils eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten auf Bewährung und 500 € Geldauflage. Der Richter folgte jedoch den Argumenten der Verteidigung und sprach beide frei. Zwar ging er nicht soweit den Polizisten eine bewusste Lüge zu unterstellen, aber er kam nicht umhin festzustellen, dass sich das Tatgeschehen mindestens genauso gut so abgespielt haben könnte, wie die beiden Angeklagten und die vier Zeugen es schilderten. Zumal es bei den Letztgenannten (einem Berufssoldaten, zwei Gymnasiasten und einem Jura-Studenten) nicht den kleinsten Hinweis darauf gab, dass sie eine wahrheitswidrige Gefälligkeitsaussage getätigt hätten.
Der Freispruch ist mittlerweile rechtskräftig.
Dieses Verfahren zeigt einmal mehr, dass Polizisten nicht wie vor Gericht leider üblich, als die „besseren“ Zeugen gelten dürfen! In der gerichtlichen Praxis ist dies aber Gang und Gebe. „Schließlich habe ein Polizeibeamter ja kein eigenes Interesse an einer Verurteilung. Und warum sollte er lügen?“ Die Erfahrung zeigt uns aber nur all zu oft, dass genau das Gegenteil der Fall ist! Beispielsweise werden die Zeugenaussagen der Polizisten noch nach Monaten in manchen Verfahren eins zu eins wiederholt oder von Kollegen oftmals sogar ganz dreist im selben Wortlaut wiedergegeben. Ein weiterer trauriger Klassiker: Die Zeugenaussagen werden um genau solche relevanten Details ergänzt, die zu einer Verurteilung führen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt… Warum so etwas nicht von Anfang an in den Ermittlungsakten vermerkt wird, konnte im Übrigen noch kein Polizist plausibel begründen.
Sieht man dann noch, wie einige Polizistinnen und Polizisten und hier vor allem einzelne SKB’s, einen regelrechten Feldzug gegen Fußballfans führen und oftmals nicht einmal mehr zwischen Privatem und Dienst trennen, verwundert es kaum, dass so manches Mal eben doch ein besonderes persönliches Interesse an einer Verurteilung besteht!
Wir werden uns daher auch zukünftig nicht damit zufrieden geben, dass Polizisten per se als bessere Zeugen gelten und fordern, dass die Richter und Staatsanwälte sich auf eine, dem Rechtsstaat würdige, uneingeschränkte Wahrheitsfindung besinnen!
Richter und gerade Staatsanwälte sind im Übrigen dazu verpflichtet, nicht nur alles Belastende, sondern im gleichen Maße auch alles den Beschuldigten Entlastende zu ermitteln! Dazu sollte man aber wenigstens, und das sollte in einem Rechtsstaat eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, alle dem Verfahren dienlichen Zeugen anhören und sich nicht nur auf die Aussagen der Polizei berufen. Denn die Glaubwürdigkeit eines Zeugen macht seine Aussage noch lange nicht glaubhaft!